Auch in Sachen Diversität war Star Trek seiner Zeit voraus, Bildquelle: NBC Television, Public domain | Wikimedia Commons

Gemeinsam zu neuen Welten

Ein Beitrag von Dr. Marcus Petz

Wer kennt nicht den Warp-Antrieb, das Beamen oder den Tricorder? Wenn im schulischen Kontext die Sprache auf Star Trek kommt, dann meist in Zusammenhang mit derartigen technologischen Zukunftsvisionen und der Frage nach deren physikalischer Möglichkeit oder Unmöglichkeit.
Doch sind es meines Erachtens nicht diese technologischen Visionen, welche den eigentlichen Reiz der Star Trek-Erzählung ausmachen und für deren jahrzehntelangen Erfolg verantwortlich sind. Vielmehr zeichnet sich die Star Trek-Welt von Anbeginn dadurch aus, dass Sie auch jenseits von Technologie eine der wenigen positiv gezeichneten Zukunftsvisionen ihrer Zeit darstellt. So liegt der Kern der Star Trek-Utopie nicht in den technologischen Fortschritten der zukünftigen Gesellschaft, sondern in deren sozialen Umständen und Dynamiken.

Nicht zufällig machte Star Trek die jüngst verstorbene Nichelle Nichols zu einem Vorbild der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung – verkörperte Sie doch die Rolle der Lieutenant Uhura zu einer Zeit, als für afroamerikanische Schauspielerinnen im US-Fernsehen bestenfalls die Rolle des Hausmädchens in Reichweite lag. Auch zu Hochzeiten des Kalten Krieges mit Pavel Chekov einen russischen Navigator auf der USS Enterprise Kurs zu unbekannten Welten setzen zu lassen steht beispielhaft für den gesellschaftliche Grenzen überwindenden Charakter der Star Trek-Erzählung. Es ist diese beständige Erweiterung der Grenzen des „Wir“, welches den größten Fortschritt der Menschheit des Star Trek-Zeitalters kennzeichnet. So wird die Zukunft zu etwas, das von allen und mit allen gemeinsam gestaltet wird.

In einer Zeit globaler Krisen und gesellschaftlich dysfunktionaler Impulse der alles durchdringenden Digitalisierung ist die Gestaltung dieses umfassenden „Wir“ die eigentliche Inspiration, die sich aus Star Trek ziehen lässt. Dabei ist dieses Wir nicht im Sinne einer gleichgeschalteten totalitären Gesellschaft zu verstehen – wie etwa bei den doch eher dystopisch anmutenden Starship Troopers – sondern es handelt sich um ein Wir unter den Bedingungen einer offenen, pluralistischen Gesellschaft. Der Schlüssel hierzu liegt in der Wertschätzung des Gegenübers – in der Bereitschaft, im Anderen trotz dessen Andersseins seinesgleichen zu erkennen und ihn als gleichwertig anzuerkennen.

„Wie soll Schule das denn leisten?“ mag nun mancher einwerfen. Doch es ist nicht das Abstraktum Schule, welches dies leisten muss – es sind die Menschen, die Schule ausmachen und gemeinsam konstituieren. Und natürlich betrifft die Notwendigkeit eines wertschätzenden Miteinanders nicht nur Schule, sondern alle virtuellen und realen Orte, an denen sich Menschen begegnen, miteinander kommunizieren und interagieren. Doch dem gesellschaftlichen Raum Schule kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, denn wo sonst begegnen sich Menschen mit so unterschiedlichen Hintergründen derart intensiv und über so lange Zeit? Noch dazu in einem Lebensabschnitt, in welchem man noch mitten dabei ist, die Welt zu entdecken und sich selbst in ihr zu verorten.
Daher sollte die Schule der Zukunft in höherem Maße als heute den gelebten Anspruch haben, die Grenzen des Wir durch wertschätzendes Verhalten gegenüber dem Anderen zu öffnen und in die Welt hinaus zu erweitern. Denn seien wir ehrlich: Eine Gesellschaft scheitert nicht daran, dass Schülerinnen und Schüler nicht mehr Goethes „Faust“ lesen oder dass sie die Funktionsweise der Quantenkryptographie nicht kennenlernen. Sie scheitert daran, dass die Menschen das Bewusstsein dafür verlieren, dass es sich bei der täglich neu zu leistenden Konstituierung von Gesellschaft um ein lohnendes Gemeinschaftsprojekt handelt.